Halbherzig

Donnerstag, April 08, 2010 / von Danielson /

Was mögen die Kutschenbauer 1885 wohl gedacht haben, als der Karlsruher Maschinenbauingeneur Carl Benz das erste benzinbetriebene Auto zusammengeschraubt hat ? Man nannte es damals im Wortlaut: "Vollständiger Ersatz für Wagen mit Pferden". Dieses Gefährt wurde belächelt, nicht Ernst genommen. Dass es eines Tages nicht nur die Kutsche, sondern auch den Zug als Transportmittel in Bedrängnis bringen würde, hätte niemand für möglich gehalten. Hier ein schönes Beispiel was aus seiner Saat geworden ist, (Hohe Auflösung bei flickr commons)
Von Zeit zu Zeit erscheint eine neue Technologie, welche offensichtlich mehr Möglichkeiten bietet als eine bereits vorhandene. Dieses Phänomen gab es bereits in vielen Wirtschaftszweigen. "Was ist zu tun ?" fragen sich dann jene Leute, die mit dieser Branche ihr Geld verdienen - oder sogar ein Unternehmen lenken.
Eine ähnliche Situation begann Mitte der neunziger für die Musikindustrie. Da gab es dieses neue Kompressionsverfahren, genannt "Mpeg 1 Layer 3" (MP3), erfunden vom Fraunhofer Institut in Erlangen. Es ermöglicht ein Musikstück mit annähernd CD Qualität in eine 4 MB Datei zu packen. Dies stellte die Grundlage für den schnellen Transport über das Internet.
Was passierte zu dieser Zeit in den Vorstandsetagen und Chefbüros ? Wer von diesen hochbezahlten Managern machte sich ernsthaft Gedanken über diese neue Technologie ? Offensichtlich waren es nicht sehr viele. Die Verkaufszahlen gingen zurück, die breite Masse nahm MP3 als neues Musikformat an und jedes Jahr wurde ein weiterer Nagel in die Sargdeckel der Musiklabels geschlagen. Anschließend war die Filmindustrie an der Reihe. Auch hier ist der Grund für den Umsatzrückgang in neuen Kompressionsverfahren zu finden: Unter der Bezeichnung MPEG4 kam es auf den Markt und eröffnete neue Möglichkeiten. Vormals riesige Videodateien konnten nun in guter Qualität auf einen einzigen CD Rohling gebrannt werden, wahlweise wurden sie kurzerhand via jetzt bezahlbarem DSL Zugang aus dem Netz gezogen. Auch hier wurde gepennt, die trägen Geschäftsführer der Branche sahen das riesige Potenzial des Internets nicht. Es wurde und wird nicht ernsthaft genutzt sondern gejammert, prozessiert und angeklagt.
Die Kutschenbauer damals mussten sich umstellen. Beispielsweise wurde aus einem Kutschenbauer ein strategischer Partner für einen Motorenbauer. Reifen, Sitze, Dämpfung, was auch immer. Sicherlich versuchten sie aber nicht, das Automobil zu verbieten. Denn es war ganz offensichtlich für einen klugen Kutschenbauer, dass jenes Stück Technik, genannt "Motor", den Kutschen bald keinen Platz mehr lassen würde.
Was tat die Musik und Filmindustrie ? Oder besser - was tun sie inzwischen ? Nicht sehr viel. In Deutschland wird das Urheberrecht diskutiert - beispielsweise hört sich der Bundesinnenminister Thomas de Maizere die Meinung und Vorschläge der verschiedenen Verbände an: der Musik- und Filmindustrie, der Netzgemeinde`und die der Wissenschaftler. Da gibt es dann 4 stündige Sitzungen, in denen jeder dieser Vertreter seine Meinung kundtut, das zweite Treffen dieser hochkarätigen Runde ist hier nachzuhören. Auffallend: die Vertreter der Musik- und Filmindustrie befürworten eine Verschärfung der Gesetze. Massenklagen, mithilfe von Vorratsdatenspeicherung. Verständlich, auf den ersten Blick. Denn das Geschäftsmodell dieser Industrie funktioniert nicht mehr - also wird der große Hammer ausgepackt und kräftig ausgeholt.
Andererseits könnte man diese Einstellung auch als engstirnig bezeichnen. Die digitale Distribution ist nicht mehr aufzuhalten. Das ist kein Trend mehr, das ist die Realität, Datenträger wie CD, DVD, Bluray, usw... wird es in 30 Jahren nicht mehr geben. Die Macht liegt beim Nutzer und dieser zieht die nutzerfreundliche Variante nun mal vor.
Und somit kommen wir zum Ereignis des letzten Wochenendes. Das neue iPad ist nun auf dem Markt. Nach dem Ebook Reader Kindle von Amazon ist das iPad das zweite Anzeigegerät, welches die Printbranche ernsthaft mit den neuen Medien konfrontiert. Nun sollte man meinen das die Verlagsindustrie von den Fehlern der Kollegen gelernt hat. Sprich: nicht gegen die neue Technologie arbeiten, sondern diese als zukünftigen Markt betrachten. Das schließt ein Ausreizen der neuen Möglichkeiten mit ein.
Die New York Times bringt ein App für das neue iPad heraus, welches weniger bietet als die eigene Website - das zeigt die Wertschätzung für einen Trend. Die Times sollte aber alles in den Pott werfen, wenn schon bezahlter Journalismus dann bitte auch mit einem Ausreizen der Möglichkeiten. Dann war da noch die Sache mit dem Urheberrecht... Wieso sollte sich der Markt ans Urheberrecht anpassen und nicht anders herum ? Wieso sollten die Print Verlage, deren Geschäftsmodell aufgrund technischem Fortschritts nicht mehr zieht (wir erinnern uns an die Kutsche) , gehätschelt werden und andere nicht ? Qualitätsjournalismus ? Wohl kaum. Es gibt zahlreiche Beispiele die einem das Gegenteil beweisen. Tag für Tag. Bild dir deine Meinung.



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