Gezakt oder geslaagt ?

Mittwoch, Juni 27, 2007 / von Danielson /

In Deutschland werden die Weichen für die Zukunft im zarten Alter von 11 Jahren gestellt. Nach dem absolvieren der vierten Klasse wird entschieden, ob ein Kind das nötige Potential hat, die verlangten Leistungen zu bringen um das Abitur erfolgreich abzuschließen. Diese Entscheidung wird also in einem Alter gestellt, in dem die Kinder gerade einmal anfangen zum Jugendlichen zu werden. Bekannt ist, das in diesem Alter der Körper mit Hormonen geflutet wird, das Gehirn eines jeden wird neu programmiert - eine neue Persönlichkeit wird entwickelt und geformt durch die Erfahrungen und Erziehung, welche das Kind umgibt und genießt. Ein sehr interessanter Artikel über dieses Thema gibt es in der online Ausgabe der Zeit nachzulesen. Das deutsche Schulsystem setzt also die wichtigste Entscheidung über die Bildung eines Jugendlichen in einem Zeitraum an, welcher als in höchstem Maße ungeeignet bezeichnet werden kann. Natürlich ist diese Entscheidung nicht endgültig, bei herausragenden Leistungen eines Realschülers wird dieser sicher nach Abschluss der zehnten Klasse ein Wirtschaftsgymnasium besuchen, um den höchsten deutschen Bildungsabschluss zu erhalten, das Abitur. Aus meiner eigenen Erfahrung sieht das insgesamt betrachtet ein wenig anderst aus, die breite Masse ist weder hochbegabt noch dumm - daher möchte ich das ganze mal aus einer anderen Perspektive beleuchten...
Wenn ein 11 jähriger in die Realschule gesteckt wird, so findet er sich in diese Rolle auch ein, ebenso wie das der Hauptschüler und der Gymnasiast tun wird. Pubertierende haben die Angewohnheit sich gegen Regeln, die von Autoritäten aufgestellt wurden aufzulehnen, anderst zu denken und betont eigene Wege zu gehen. In der Regel sind diese Wege trotzdem vereinbar mit den Regeln der Gesellschaft. Sie kratzen an den Grenzen und überschreiten diese von Zeit zu Zeit. Jedoch tut dies die Masse (und ich betone nochmals - die Masse) in einem bestimmten Rahmen. Will sagen - die meisten erfüllen die an sie gestellte Erwartung. Man könnte nun behaupten das damit die deutsche Selektion nach der vierten Klasse Ihren Status verteidigt, die richtige Wahl wurde getroffen, den die Leistungen der Schüler in den jeweiligen Schularten bestätigen dies. Man könnte aber auch behaupten das dies nur aus dem Grund der minimalen Pflichterfüllung geschieht die, wie eben festgestellt, so viele Jugendliche praktizieren. Diese minimale Pflichterfüllung spiegelt sich rund um die Note "befriedigend", plus/minus einer Note. Zusätzlich stellt die jeweilige Schule meist den Großteil des Freundeskreises eines jeden dar. Ein drittel der verfügbaren Tageszeit verbringt ein Jugendlicher in der Schule, es ist nur logisch das die meisten dort Ihre Freundschaften schließen. Alltag kehrt ein, Gewohnheit. Der Schüler fügt sich in diese Rolle und es ist eben normal. Eigenständige, weitreichende Zukunftsplanung ist nicht gerade die Stärke von Jugendlichen, oftmals wird also die Karriere eines Kindes in einem Alter zementiert, in dem dessen Talente erst zart zu sprießen beginnen Wie wichtig dieses ganze Thema für ein Land wie Deutschland ist, verdeutlicht die Globalisierung. In Herstellung und Produktion von Gütern brauchen wir Ländern wie China und Indien nichts vorzumachen - das können solche Länder weitaus günstiger, schneller und flexibler wie die Europäer. Unser Ziel muss also die Entwicklung von weiterführenden Technologien und das Setzen von neuen Industriestandards sein. Dieses Ziel kann nur mit einer exzellenten schulischen Ausbildung für die breite Masse erreicht bzw. gehalten werden. Kinder sind die wichtigste Ressource einer Gesellschaft, ihre späteren Entscheidungen und Leistungen entscheiden über den zukünftigen Wohlstand eines jeden von uns. Ein Auszug aus dem Schulordnunggesetz von Nordrheinwestfalen: „Die Schule hat die Aufgabe, die Jugend auf der Grundlage des abendländischen Kulturgutes und deutschen Bildungserbes in lebendiger Beziehung zu der wirtschaftlichen und sozialen Wirklichkeit sittlich, geistig und körperlich zu bilden und ihr das für Leben und Arbeit erforderliche Wissen und Können zu vermitteln“
Somit stellt sich für mich die Frage wie sinnvoll dieses Schulsystem noch ist. Meiner Meinung nach "presst" diese Selektion sehr viele Jugendliche in eine vorgegebene Stellung, aus den bereits genannten Gründen fügen sich Kinder und Eltern dieser Selektion und es wird als plausible Entscheidung betrachtet. Warum keine Gesamtschule bis zum 16. Lebensjahr ? Somit könnte ein weitaus größeres Spektrum von Wissen an die Massen vermittelt werden. Die Entscheidung für das Abitur oder das Studium würde somit in ein viel reiferes Alter verlegt werden. Ein bis zwei Jahre vor Schluss dieser Gesamtschule könnten die Schüler mit Praktikas an Wirtschaft und Forschung herangeführt werden. Und damit meine ich nicht dieses lächerliche Realschulpraktikum das jeder Schüler in der neunten Klasse machen muss. (Das geht fünf Tage und untersteht solch schlechter Organisation und einem solch üblen Stellenwert das es Schüler geben soll, die eine Woche im Lager eines Zuliefererbetriebes von Mercedes-Benz die Zeit totschlagen und rein gar nichts von den Möglichkeiten in solch einem Unternehmen mitbekommen)
Wieviel Wert andere Länder auf Bildung legen, ist aktuell am Beispiel der Niederlanden zu beobachten. Dort wird ein regelrechter Hype um das Abitur entfacht, Medien berichten täglich über die anstehenden Prüfungen und es gibt wochenlang kein wichtigeres Thema für die Menschen. Gezakt oder geslaagt - durchgefallen oder bestanden. Wie sinnvoll so ein Hype ist kann man natürlich in Frage stellen. Aber es repräsentiert zumindest den Stellenwert der Bildung in diesem Land. In China beispielweise werden Straßen rund um die Schulen gesperrt, Eltern stehen zu hunderten vor den Schulen und fiebern mit Ihren Kindern mit. Den der Abschluss entscheidet über die Zukunft des Kindes - und die Zukunft der Kinder entscheidet über die Zukunft des Landes.



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