„Der Schein trügt“

Samstag, Oktober 31, 2009 / von Madame libre-pensée /

ist der Titel eines unglaublich lehrreichen Beitrags im Rahmen des Thementages „Die Macht des Geldes“ am 04. Oktober 2009 auf 3sat gewesen. Ich möchte behaupten, dass ich nie einen sinnvolleren Beitrag im Fernsehen gesehen habe. Nach all der Euphorie nun die Begründung: Jeder kennt Sprüche wie „Geld regiert die Welt“, „Zeit ist Geld“ oder die lehrreichen Ermahnungen, dass das Geld, das man hat, der Schlüssel zur Freiheit ist und jedes, welchem man hinterher jagt, versklavt. Doch da wir alle mit Geld aufgewachsen sind und die Welt nicht anders kennen, können wir das nur abnicken und uns eventuell noch darüber echauffieren, wie ungerecht es in der Welt zugeht, betrachtet man sich die Verteilung des Geldes – das Gefälle von arm und reich. Gähn. Ausgelutschtes Thema. Doch die Eindrucksvolle Darstellung, dass nur und nichts anderes als Glaube – wie in einer Religion – an das Geld unser existierendes System aufrecht erhält, fasziniert: Das Geld, mit dem wir täglich handeln, weswegen wir arbeiten, auf dessen Vermehrung wir hoffen, ist ohne jeden Gegenwert. Kein Gold oder anderer Wertstoff im Gegenwert des Geldes ist irgendwo auf der Welt hinterlegt. Wir glauben an das Geld. Exakt wie Christen, Muslime, Buddhisten oder sonstige Glaubensvereinigungen an einen Gott glauben. Sogar die Sprache im Finanzwesen ist auf Glaube mit einer biblischen Sprache aufgebaut: So gibt es Schuldner, Gläubiger, den Kredit (Latein „Glaube“), die Messe und viele weitere Begriffe. Würden alle Religiösen aufhören, an ihren jeweiligen Gott zu glauben, ginge niemand mehr in die Kirche oder in ein sonstiges Gotteshaus. Würden alle Bewohner der Erde aufhören, an das Geld zu glauben – ja, was würde geschehen? Ich könnte doch durchaus einen Geldschein ansehen und sagen „Was soll ich jetzt damit? Die Wand tapezieren?“ Geld ist im Grunde nichts wert. Und doch haben wir durch Geld etwas geschaffen, das Dinge miteinander vergleichbar macht. Käme jemand sonst auf die Idee einen Liebesurlaub mit einem Auto zu vergleichen? Nein, aber wir haben ja Geld und das macht es möglich. Ist das negativ zu bewerten? Ja. Denn selbst Gefühle werden durch Geld gesteuert – das, um es nochmals zu erwähnen, in seiner Eigenschaft als Münze, Schein oder noch absurder: Kontoauszug keinen Wert hat und nur durch den Glauben eben jenen zugesprochen bekommt. Ich habe negative Empfindungen, wenn ich kein Geld habe, als hätte ein Gott oder eine sonstige Energie mich verlassen und umgekehrt wird es erst recht pervers: Um viel Geld zu haben, handeln Menschen unmoralisch, schleimen sich bei ihren Chefs ein, stehlen, betrügen, setzten ihre Prioritäten nach dem virtuellen Gewinn. Menschen lernen, dass sie einen höheren Wert haben, wenn sie im Besitz von Geld sind, haben Sex mit bestimmten Menschen, denn der Reiche ist anziehend, weil der Reichtum den Wert dieser Person in unserem Glauben erhöht. Sprich: unser gesamtes Leben, unsere Berufe, unsere Empfindungen, unser Wohlbefinden richtet sich nach diesem irrsinnigen Glauben. Und da wir eigentlich schon alles haben und langsam aber sicher die Jobs ausgehen, werden Bedürfnisse erzeugt, neue Marken geprägt, auf gut Deutsch: Aus Scheiße Geld gemacht. Wer braucht 15 verschiedene Waschmittel, Zahnpasten, Joghurtmarken, Spülmittel, Cremes, Sägen oder was auch immer zur Auswahl? Oder gar die unzähligen Finanzprodukte, die wir erwerben können? Es werden Wünsche, Sehnsüchte und Gier in uns erweckt und das andauernde Verlangen, mehr Geld besitzen zu müssen. Unser Leben richtet sich danach. Und dabei sind wir an einem Punkt angelangt, nach dem sich die Menschheit Jahrtausende lang gesehnt hat: Wir müssen kaum noch etwas mit unserer Hände Arbeit verrichten. Wir kommen nach Hause, schalten das Licht an – und es ist hell. Maschinen stellen so ziemlich alles her, was wir brauchen. Unser Essen kann mit einer Leichtigkeit gesät, geerntet und zubereitet werden. Die alten Griechen hätten sich gefreut. Wie viel mehr hätten die Menschen beisammen sitzen und auf dem Marktplatz mit ihren weißen Gewändern über das Leben philosophieren können, die Literatur, die Mathematik, den Sport und viele Künste intensiviert. Was eine Chance der Selbstverwirklichung wir doch hätten, würden wir nicht an einen so merkwürdigen Gott glauben. Acht Stunden und mehr am Tag arbeiten? Lächerlich! Wie viele Jobs sind denn bitte darauf aufgebaut, merkwürdigen Papierkram zu erledigen, der ausschließlich mit Geld zu tun hat? Auch wenn wir in unserem beschaulichen Deutschland nicht einfach beschließen können, das Geld abzuschaffen, so hoffe ich doch, dass das Bewusstsein der Menschen sich mehr darauf richtet, dass wir aufhören, unsinnige Jobs, Produkte und Sehnsüchte zu erschaffen, uns mehr auf das Leben konzentrieren, unsere wahren Gefühle und Fähigkeiten entdecken und den Menschen die Grundlage hierfür – etwa ein bedingungsloses Grundeinkommen? – zusichern. Welch eine Kultur, eine neue Zeit könnte entstehen! Und hier ist Teil eins des Beitrags, den ich nur wärmstens empfehlen kann:



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2 Kommentare:

Comment by Danielson on 3. November 2009 um 17:03

So jetzt hab ich es endlich auch mal geschafft deinen Beitrag zu lesen. Herzlich willkommen :)

Zu deinem Beitrag: Du stellst nach deiner Einführung und der Feststellung, dass Geld keinen reellen Gegenwert hat und das es Dinge vergleichbar macht, eine Frage zu Beginn des dritten Absatzes: "Ist das negativ zu bewerten ?" .. und antwortest mit Ja.

Und genau da geht meine Meinung in eine etwas andere Richtung. Ich würde sagen: Jein.

All die negativen Dinge, welche Menschen tun um an mehr Geld zu bekommen, lassen sich nicht so einfach mit dem Stellenwert des Geldes erklären. Vielmehr glaube ich das der Mensch - basierend auf einer Kombination aus Erbgut & Erziehung - grundsätzlich das tut, wovon er den größten Vorteil hat. Der eine mehr, der andere weniger, je nach Persönlichkeit und Charakter.

Und das ist erstmal vollkommen natürlich, denn die Evolution hat jene belohnt, die es geschafft haben MEHR zu haben. Mehr Nahrung. Mehr Weideland. Mehr Land zur Viehzucht und dem Ackerbau. Mehr Wissen - beispielsweise um damit Häuser aus Stein, anstatt aus Lehm zu bauen. Das streben danach, mehr als der andere zu haben, wird also belohnt.

Und so setzt sich diese Kette fort, will sagen: Die beschriebenen Auswirkungen sind nicht ausschließlich auf das Vorhandensein von Geld bzw einem Finanzsystem zurückzuführen.

Habgier, Falschheit und Niedertracht gab es schon sehr lange vor dem Geld. Es drehte sich damals eben nicht um 1000 Euro mehr auf dem Lohnzettel, sondern um Land und Güter.

Ob ein "Grundeinkommen" die Gier der Menschen mildern würde, wage ich zu bezweifeln. Vielleicht brauchen wir einfach noch 2000 Jahre, um eine Zivilisation zu werden, bei der Moral über Material steht. Frei nach Jean-Luc Picard:

"...Im 24. Jahrhundert gibt es kein Geld. Die Menschen leben, um sich selbst und den Rest der Menschheit zu verbessern..."

Comment by Madame libre-pensée on 3. November 2009 um 18:43

Danke fürs Feedback! Ich stimme Dir voll zu, dass es Habgiert etc. bestimmt schon gab, bevor das Geld erschaffen wurde. Was ich so negativ empfinde ist, dass wir Dinge erschaffen, die wir nicht brauchen, um mehr Geld zu haben, welches wiederum eigentlich keinen Wert hat. Und dabei geht meines Erachtens das Gefühl fürs Leben an sich verloren. Denn nur die Dinge, die einen Geld-Gegenwert haben, werden dabei noch hochgeschätzt und intensiviert.

Und es ist nunmal so, dass wir kaum noch arbeiten müssten, um die Dinge, die wir tatsächlich zum Leben brauchen zu erwerben.

Was das Grundeinkommen betrifft: Das Fragezeichen am Ende steht deswegen, weil das eine spontane Idee, ein Gefühl war. Ich habe mir nun von Götz Werner das Buch "Einkommen für alle" gekauft um diese Theorie komplett zu verstehen und dementsprechend für mich zu verifizieren. Davon werde ich bestimmt auch noch berichten!

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